Signifikanz-Angaben in forensischen
Gutachten zur Schriftvergleichung
1999, überarbeitet 2007
Marianne Nürnberger und Julian Horky
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- Die Nachvollziehbarkeit ist laut österreichischem
Gesetz ein Grundprinzip der Gerichtsexpertisenerstattung, und das Institut
Graphologica wendet dieses Prinzip auch auf Privatgutachten an. Der Nachvollziehbarkeit
dienen Abbildungen und Tabellen ebenso wie die Kritik der zur Verfügung
gestellten Beweismaterialien. Eine am Institut Graphologica 1998 von Nürnberger
und Horky entwickelte weitere Technik zur Erhöhung der Nachvollziehbarkeit
ist die Angabe von Signifikanzen zu jedem untersuchten Kriterium nach einer
bestimmten Wertigkeitsskala. Dabei wird folgende Skala angewendet:
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- 0- keine Signifikanz (Beispiel: das Kriterium
wird dennoch erwähnt um Fehlinterpretationen vorzubeugen, damit der
Laie ein nationales Charakteristikum nicht für ein individuelles Charakteristikum
hält)
- 1- geringe Signifikanz (Beispiel: relativ
viele Schriften teilen das beschriebene Kriterium)
- 2- mittlere Signifikanz (Beispiel: einige
Schriften teilen das beschriebene Kriterium)
- 3- hohe Signifikanz (Beispiel: wenige Schriften
teilen das beschriebene Kriterium)
- 4- sehr hohe Signifikanz (Beispiel: keine
oder nur sehr vereinzelte Schriften teilen das beschriebene Kriterium)
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- Die Angaben in Klammern stehen im Absatz
oben für Anwendungsbeispiele. Es werden auch andere Gründe für
die Angabe eines bestimmten Grades an Signifikanz herangezogen: Der Signifikanzgrad
kann sich aus dem Grad der Direktheit eines Hinweises ableiten, beispielsweise
kann eine Farbanalyse ergeben, dass maschinell aufgetragene Farbmittel verwendet
wurden, woraus dann direkt und mit sehr hoher Signifikanz auf eine Kopie
geschlossen werden kann. Ebenso kann der Grad der Intensität eines
Charakteristikums entscheidende Bedeutung haben, zum Beispiel für den
Nachweis der Trunkenheit eines Urhebers aus Schreibstörungen heraus.
Besondere Aussagekraft hat häufig auch die spezifische Gruppierung
von Merkmalen, sie können zu unterschiedlichen Graden zusammenpassen
oder zueinander in Widerspruch stehen bzw. auf eine Fälschung verweisen,
... und anderes mehr.
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- Die abgestuften Signifikanzangaben fließen
in die abschließende Beurteilung im Rahmen der Expertise ein, doch
geschieht dies nicht in einer mathematisch errechneten Form sondern vielmehr
in Erwägung des Gesamtbezugs zum jeweiligen Fall. So können einzelne
Kriterien von sehr hoher Signifikanz einen Fälscher zuweilen überführen,
auch wenn zahlreiche Kriterien von niedriger Signifikanz in andere Richtung
zu deuten scheinen. Selbst in einer ausführlichen Expertise werden
nie alle möglichen erzielbaren Einzelbefunde dargestellt, sondern nur
solche, die für das Endurteil wesentlich sind und auch solche, deren
Auswertung auf ersten Blick strittig erscheinen könnte.
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- Die Bewertung der Signifikanz von Einzelbefunden
soll dem Laien eine Hilfe sein, wenn es darum geht, die Gutachtensaussagen
nachzuvollziehen. Eine Tabelle aller untersuchten Merkmalsgruppen mit Angabe
der jeweils höchsten entdeckten Signifikanz einer konstituierenden
Merkmalgruppe auf oder ab Seite 2 des Gutachtens erhöht die Übersichtlichkeit
der Darstellung. Hier kann schon zu Anfang der Expertise auf einen Blick
festgestellt werden, auf welchem Gebiet sich ein Fälscher besonders
verraten hat, zum Beispiel in der stereomikroskopischen Strichanalyse, die
Aufschluss über Schreibgeschwindigkeit, Mikrobewegungen der Hand und
Druck geliefert hat.
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- Zur Relativität der Signifikanz ist
weiter anzuführen: Hätten zum Beispiel andere mögliche Urheber
der hier fraglichen Unterschriften eine weit ausgeprägtere Tendenz
zu einem spezifischen Detail der Schreibgewohnheit, so ist einer dahingehenden,
einmalig auftauchenden und noch dazu sehr vagen Ähnlichkeit aus der
Vergleichshandschrift einer einzigen untersuchten Person keinerlei Aussagekraft
mehr beizumessen. Hätte aber ein anderer möglicher Urheber überhaupt
keine Anzeichen in der gleichen Richtung in seiner Handschrift, so müsste
einer vorerst marginal erscheinenden Ähnlichkeit des ersteren Vergleichsmaterials
graduell etwas höhere Bedeutung beigemessen werden.
Dies gilt im Prinzip für alle schwachen Indizien
(Indizien von niedriger Signifikanz), die nur aus der Handschrift einer einzigen
Person aus einem unbekannten Kreis verdächtiger Personen gewonnen werden,
und dies erlangt dort die größte Bedeutung, wo der Kreis der möglichen
Urheber auf bloß zwei Personen beschränkt werden kann: Bei einem
mit Sicherheit auf zwei Personen einzuschränkenden Täterkreis beweist
die Tatsache, dass sich bei einer der beiden Personen Indizien deutlich signifikanter
ausgeprägt finden als bei der anderen, die Urheberschaft aus der Hand der
ersteren Person mit größerer Eindeutigkeit.